Ballenstedt, 10.11.2019

Falscher Hase

I: Als erste Frage – wie ist das Rezept vom Falschen Hasen, den wir jedes Mal vor unserem Gespräch essen?

B: Aha. Der Falsche Hase ist ein Hase ohne Ohren. Man holt vom Fleischer gewürztes Gehacktes, ohne Zwiebel, nimmt es mit nach Hause und macht es in einer Pfanne. Und in der Pfanne kommt noch etwas Pfeffer und Salz, Kümmel und ausgiebig Majoran dran. Und dann kommt ein Ei. Mit den Händen matscht man das richtig durch. Dann formt man einen Klumpen fest zusammen, gibt in die Pfanne etwas Öl und brät alles von beiden Seiten kurz an. Ich habe immer trockenen Rotwein parat. Den nehme ich zum Ablöschen, kippe eine kleine Flasche ganz ran. Und dann kommt Gemüsebrühe, saure Sahne und Bratensoße rein. So, den Deckel zu, und dann kocht das. Du kannst ihn auch in die Röhre stellen, dann wird es brauner. Und man kann dann ein paar geschnittene Champignons dran machen aus dem Glas. So, und das ist eigentlich der Falsche Hase. Man kann, wenn man möchte, in der Mitte des Gehackten eine saure Gurke reinstecken. Oder man gibt ein gekochtes Ei rein. Das haben wir früher gemacht. Und das so eine Stunde köcheln lassen. Das ist alles.

Die Wende

I: Okay, danke. Das ist sehr gut. Dann habe ich eine andere Frage: Gestern war ja der 9. November. Was haben wir als Familie am 9. November 1989 gemacht? Oder anders gefragt, wie war der Tag für euch? Oder was ist passiert?

B: Am neunten November haben wir erst gar nichts so richtig mitbekommen. Wir waren ja in der Provinz.

I: Aber ihr habt ja Nachrichten geschaut, oder?

B: Naja, abends haben wir dann alles mitbekommen. Wir haben eigentlich ganz normal gearbeitet. Es war ein Arbeitstag. Anfang Oktober begannen in Halle Demonstration. Da war so ein Rundgang. Montags. Das war schon vor dem 9. November. Naja, nach dem neunten November, ging das dann los. Dann haben wir das alles so mitbekommen. Ich weiß noch: Wir hatten noch eine Parteiversammlung. Da bin ich gar nicht hingegangen. Brauchte ich nicht, weil ich immer unterwegs war. Ich bin immer bloß zu der großen Versammlung gegangen. Ich war ja kein Parteifunktionär, nie. Nicht dass ich nicht überzeugt war. Ich war schon überzeugt, aber mich hat einiges gestört. Deswegen habe ich auch immer Schwierigkeiten gehabt. Aber ich habe nicht diskutiert. Ich habe dann gesagt: „Wisst ihr, ich diskutiere nicht. Was wollt ihr denn? Soll ich das Neue Deutschland immer runterleiern, wie all die anderen?“ Jedenfalls zu dieser Parteiversammlung: Die war in zehn Minuten oder in einer Viertelstunde zu Ende. Da sagte der Parteisekretär das unsere Parteiorganisation aufgelöst ist und wir bitte alle die Ausweise abgeben möchten. Wir haben die Parteiausweise abgegeben und Auf Wiedersehen gesagt. Und dann gab es keine Partei mehr. So schnell war das. Und dann war natürlich die ganze große Riege dran, der General und der Vorsitzende und die alle. Die wurden auch alle gleich abgelöst.

I: Aber bedeutete das auch, in dem Moment wo du deinen Parteiausweis abgegeben hast, dass du automatisch nicht mehr bei der Polizei tätig warst?

B: Nein. Das war anders.

I: Wie war das?

B: Ich hatte ja dann schon vorher das Heim übernommen.

I: Das hattest du vorher schon übernommen?

B: Ja, ja. Das hatte ich schon vorher übernommen gehabt. Und deswegen bin ich auch geblieben. Viele wurden aber abgelöst. Mir wurde gesagt: „Herr Müller, Sie sind jetzt Referatsleiter für die ganze Polizei. Und Sie haben Ihren Sitz jetzt in Zirkelschacht. Das ist Ihr Hauptsitz da draußen.“ Die Kriminalpolizei war ja noch in Halle. Ja und ich hatte in Klostermansfeld dann meinen Hauptsitz.

I: Das wusste ich gar nicht.

B: Ich musste mich dort um alles mögliche kümmern. Das Schlimmste war ja, dass nachdem 9. November, Ende November und Dezember, sind ja viele rüber in den Westen und haben Geld abgefasst, was sie konnten. Das haben sie dann versoffen oder sonst was gemacht und sind, als das Geld alle war, wiedergekommen. Doch dann waren sie ja keine Staatsbürger der DDR mehr.  Das war ja noch alles DDR bis 1990. Und natürlich strömten sie dann zu uns. Und das muss sich rumgesprochen haben, dass in Klostermansfeld es genügend Plätze gab. Als Rückkehrer haben wir sie aufgenommen. Ja. Dann haben wir sie verpflegt. Geld hatten wir bekommen. Es gab noch keine D-Mark. Es war Geld der Deutschen Notenbank. Die Rückkehrer haben jeden Tag zehn Mark erhalten. Damit mussten sie sich früh und abends verpflegen. Mittagessen haben sie von der Großküche erhalten. Und rucki, zucki kamen so viele Leute. Ich habe noch Zeitungen, wie die Frankfurter Allgemeine, die darüber berichtet haben.

I: Kannst du sie mir mal zeigen?

B: Ja. Da steht drinnen: Müller sein Heim ist voll. Musst du mal lesen. Ich zeige dir das mal.

I: Wie lange sind sie geblieben?

Gefängnis Bautzen

B: Naja, sie sollten so lange bleiben, bis wir für die eine Wohnung beschafft haben. Arbeit kriegten die sowieso nicht. Das war ganz schön schwierig, denn wir hatten keine guten Leute. Da habe ich so viel Schlimmes erlebt und Elend gesehen. Einmal wurde ich angerufen „Herr Müller, wissen Sie was, in Bautzen im Gefängnis, da ist eine Revolution. Die haben Geisel genommen, die ganzen Schwerverbrecher.“ Das war im Dezember 1989. Oder Januar 1990. Ich war ja auch schon mal in Bautzen. Wir hatten ja damals Vernehmungen gemacht. Das ist aber schon ziemlich lange her. Das kann ich dir auch mal erzählen. Das ist auch sehr interessant. Ich war in vielen Gefängnissen, um Straftaten aufzuklären. In Bautzen waren ja zwei Gefängnisse. Das wurde ja nie richtig dargelegt. Eines war von der Staatssicherheit, politische Gefangene. Und die anderen, das waren die Schwerverbrecher. Da waren Mörder und Totschläger und ganz schlimme Burschen drinnen. Ja und die sind abgerückt.

I: Wie haben die das geschafft?

B: Das weiß ich nicht. Da war ein großes Durcheinander. Das kann sich doch hier keiner vorstellen, wie das war zu der Zeit.  Und dann waren die abgerückt und mir hat man gesagt: „Herr Müller, da sind die ganzen Verbrecher ausgebrochen. Wenn die zu Ihnen kommen, nehmen Sie die bloß nicht an.“ Ich sage: „Wie soll ich denn das machen? Ich habe doch keine Gewalt.“ Und das war dann auch so, ich konnte nichts machen. Es sind einige zu uns gekommen.

Wenn irgendeiner auf der Straße von Hettstedt oder Eisleben zu Fuß war, kamen die alle zu uns. Ich weiß noch, einmal bin ich zur Arbeit gefahren. Da war einer unterwegs und ich dachte noch na, der kommt auch bald. Der kam auch und ich sage: „Na, und wie und was?“ Der kam aus Frankfurt, auf dem Bahnhof hat er sich rumgetrieben. Und frage nach seinem Gepäck. Er hatte nur so einen kleinen Beutel gehabt. Dazu sagte er: „Das ist meine Sicherheit.“ Ich frage: „Was hast du denn da drin?“ Ich wusste ja wie man mit solchen Leuten umgeht. Wir haben genug Vernehmungen gemacht mit Verbrechern. Er hatte in den Beutel eine alte Pistole, eine P38, drinnen. Ich sagte: „Jetzt, die gibst du mir aber.“ Er antwortete: „Nein, das ist meine Sicherheit.“ Ich sage: „Hier bist du sicher.“ Ich habe dann die Pistole weggenommen und sie vernichten lassen.

I: Aber sind dann die Verbrecher aus Bautzen gekommen?

B: Ja. Wir hatten bestimmt zehn. Der eine hat nur gesoffen. Und ein anderer war ganz brutal. Ich weiß noch, wir hatten zu Hause ein wenig gefeiert. Da hatten wir ja noch in der Schillerstraße 1 gewohnt. Und dann riefen sie an: „Herr Müller, Herr Müller, kommen sie rüber. Hier wird jemand zusammengeschlagen. Der haut den tot.“ Ich wollte eigentlich nicht fahren, da ich ja getrunken hatte. Ja, was sollte ich denn machen? Ich kannte aber den Brutalen. Der hat seine Frau mit dem Beil erschlagen, damals. Deswegen saß der lebenslänglich. Als ich ankam, bin ich hinter zu der Baracke gegangen und da lag der eine da wie so ein Klumpen Fleisch. Ach, der hat geblutet und was nicht alles. Und der Brutale war da. Ich sagte zu ihm: „Komm her. Ich habe eine Flasche Korn für dich“. Er beruhigte sich und dann kam auch schon Verstärkung.

Zwei junge Polizisten kamen da. Einer, der hatte bloß die Mütze und die Uniform, keine Koppel, keine Pistole, nichts, gar nichts. Und der andere, der war vielleicht 18 Jahre. Ich sage: „Wie alt bist du?“ „Na, 18.“, sagt er. „Und wie lange bist du bei der Polizei?“ „Na, die haben mich jetzt gerade genommen.“ Der war wahrscheinlich einer, der immer auch MfS rausgeschrien hat. Und den haben die jetzt ein Ding verpasst. Der wusste ja noch nicht mal, wie man die Uniform richtig anzieht. Der Ältere sagte: „Ich kann nicht. Ich habe es mit meinem Rücken. Ich kann mich nicht bewegen.“ Der hatte natürlich Angst gehabt. Und der Andere, der stand einfach da. Der hat nichts gesagt. Ich sage: „Bleibt hier.“ Ich habe dann meine Handschellen und die Flasche Schnaps geholt.

„Komm her habe ich zu den Brutalen gesagt.“ Dann haben wir jeder ein Glas vollgemacht und Zum Wohl gesagt: „Du bist doch von der MfS?“, fragte er. Ich sage: „Ich bin nicht von der MfS. Ich bin ein Polizist. Das weißt du doch.“ Dann habe ich ihm auch meinen Ausweis gezeigt. Ich habe zu ihm gesagt: „Und weißt du was? Du kennst doch die ganzen Gepflogenheiten, wie das so ist. Ja. Jetzt machst du kein Theater, lässt dir von mir die Handschellen anlegen, gehst mit mir vor und dann fährst du nach Eisleben. Und ich vernehme dich da kurz und dann werden wir sehen, was passiert. Du weißt doch, wie es ist.“

Ich habe ihm die Handschellen angelegt. Wir durften ja nie die Handschellen nur vorne anlegen, nicht so wie es heute üblich ist hinten.

I: Was hatte das für einen Grund?

B: Weil das menschlich nicht in Ordnung war. Ja, wir hatten die Handschellen nur vorne. Jedenfalls ist der ganz brav nach Eisleben gefahren und nach einer Stunde war der wieder da.

Ausweise

Was ich dort alles für Leute hatte. Ich habe innerhalb von einer Stunde, so viele Leute wieder zum Staatsbürger der DDR gemacht und sie von mir einen Ausweis bekommen.

I: Du konntest Ausweis ausstellen?

B: Ja, klar. Ich konnte Ausweise ausstellen. Ich konnte alles. Ich war verantwortlich. Ich war der Referatsleiter vom ganzen Meldewesen der Bezirksregierung.

I: Und wie lange war dieser Pass dann gültig?

B: Ein Jahr. Wir haben erstmal nur für ein Jahr Ausweise ausgestellt.

Einmal sollte ich ein Ausweis für jemanden ausstellen, der sollte in Halle in der Stadtverwaltung die Industrie übernehmen oder weiß der Teufel was. Bloß, dazu musste er damals noch DDR-Bürger sein und er kam ja aus Paderborn. Und da sagten sie zu mir: „Herr Müller, können wir da nicht was machen, dass er zum DDR-Bürger wird und einen Ausweis bekommt.“ Ich wollte das eigentlich nicht machen. Dann sagten sie: „Wir gehen groß essen.“ Und ich sage: „Ich habe keinen Hunger.“ Naja, letzten Endes sind wir dann zu meiner Dienststelle gefahren und ich habe einen Ausweis ausgestellt. So war die Zeit.

I: Was war das eigentlich ursprünglich für ein Heim?

B: Naja, das war auch für Rückkehrer, die aus der BRD, die rüber sind und wieder zurückkamen.

I: Das war schon so angelegt?

B: Ja. Ich habe dort aber auch sehr tolle Menschen kennengelernt. Einen großen Professor, aber der ist eine Geschichte für sich. Der war beim CIA in Amerika und hatte gleichzeitig für das MfS gearbeitet. Er wollte auch DDR-Bürger werden. Das war mir zu heiß. Da habe ich dann gesagt: „Nein, das so, geht nicht.“ Das erzähle ich ein anderes Mal vielleicht.

Zentrale Aufnahmestelle / Juden / Zwei Millionen

Und dann eines Tages hieß es: „Herr Müller, Sie müssen mitkommen.“ Ich sage: „Wohin?“ „Ja, nach Halle“. Dann war ich dort mit am Runden Tisch von der Bezirksregierung, neun oder zehn Mann. War es also ein großer Tisch. Und ich saß da wie ein Häufchen Unglück dazwischen. Und dann hieß es: „Jetzt geht es los. Ab ersten Juni bekommen wir Juden.“

I: Wer war da noch mit am Runden Tisch?

B: Naja, der Leiter der Bezirksregierung und der Ressort Inneres. Und von der Kirche welche. Dann noch ein Mediziner und ein paar Bürgerrechtler. Und plötzlich hieß es: „Herr Müller, sie sind verantwortlich, wenn die Juden kommen. 8000 Juden sollten aus der Ukraine kommen. Wir sollten also im Lager Kapazitäten schaffen, um mindestens ein paar Tausend unterzubringen. Nun, da ich aber keine Kapazitäten hatte, habe ich in Helbra, in Alrode oben im Harz und in Bad Schmiedeberg, ein ganzes Ferienlager, bereitstellen lassen. Ich hatte also fünf oder sechs solche großen Lager. Tja, und ab ersten Juni ging es dann los.

I: Wurden die Juden vertrieben oder wollten die freiwillig aus der Ukraine und Russland gehen?

B: Sie wollten gehen, haben den Druck nicht ausgehalten. In Russland konnten sie nicht sagen, dass sie Juden sind. Und unter Stalin sind sie verfolgt worden.

Wir waren dann so was wie die zentrale Aufnahmestelle. Geld hatte ich ja zur Verfügung gekriegt. Wir haben Sprachkurse eingeführt, ein dreiviertel Jahr. Und dann haben wir versucht die Leute beruflich unterzubringen, wir hatten zum Beispiel ein Professor für Neurochirurgie. Die Juden hatten aber auch alle sehr gute Kontakte. Aus der Schweiz kamen immer welche. Das war zum Beispiel ein Rabbiner aus Basel. Der kam immer zu mir. Vor dem habe ich dreimal den Hut gezogen. Der war wirklich sehr intelligent. Und wirklich gut. Der hatte bei mir in meinem Dienstzimmer immer auf meiner Doppelcouch geschlafen. Früh hat der einen Schluck Wasser getrunken. Er hat nichts gegessen. Nichts, gar nichts. Weil das nicht koscher war. Einmal sind wir zu dem Lager nach Alterode gefahren. Unterwegs sagte er: „Herr Müller, können wir mal Halt machen?“ Und ich sage Ja und bin angehalten. Dann ist er ausgestiegen und ist auf einen Baum geklettert und hat sich einen Apfel gepflückt.

Ja, die Juden haben uns immer gut versorgt. Sie haben mir aus der Schweiz einen riesen Bus zur Verfügung gestellt. Ich wusste ja nicht, was ich damit anfangen sollte. Der war voll mit Klamotten, mit Möbeln, Skier, brauchten wir ja nicht, 20 Paar Skier. Schuhe. Alles so was. Da kam einmal ein LKW voll mit Waschpulver. Naja, die haben sich gefreut … das Geld wurde ja immer knapper. Und ab ersten Juni wurde die D-Mark eingeführt. Das war ja dann noch komplizierter. Einmal rief mich der Zentralrat der Juden an und sagte: „Herr Müller, geben Sie mir mal Ihre Kontonummer durch.“ Ich sage: „Wieso? „Ja, wir überweisen Ihnen Geld.“ Zwei Tage später waren zwei Millionen auf unserem Konto der Dienststelle drauf.

I: Und was habt ihr dann damit gemacht?

B: Naja, sie mussten ja alle versorgt werden. Wir haben dann auch die anderen Heime ein wenig ausgebaut und modernisiert. Der Winter stand vor der Tür und die Heizung musste gemacht werden.

I: Was war denn das Lager vor der Zeit? Also, bevor es dieses Auffanglager für Rückkehrer aus nicht sozialistischen Ländern wurde?

B: Das war mal ein Gefangenenlager von den Franzosen, während des Krieges. Und nach 1961 wurde es ein Rückkehrer Heim.

Land der Hoffnung

I: Wie lange hast du für das Heim gearbeitet?

B: Naja, bis Ende 1992 war das, ja. Ende 92. Und dann haben die Juden das in ihrer eigenen Regie übernommen. Dann sind auch nicht mehr so viele gekommen. Im, wann war das, im Juli, August, nein, September 1990. haben sie bei uns einen Film gedreht. Da kam eine Frau Kuhlenkamp mit zwei Assistenten. Der Film sollte heißen:  Verlorene Heim. Ah nein, Sie suchen nach einer neuen Heimat.

I: Also ein Dokumentarfilm?

B: Ja ein Dokumentarfilm über das Heim. Ich habe ein Interview gegeben. Der Film sollte Anfang Dezember 1990 im ZDF gesendet werden, ungefähr eine halbe Stunde lang. Hier habe ich noch ein Schreiben. Ich habe ihn aber dann gar nicht gesehen.

I: Nein?

B: Ich habe nicht mehr daran gedacht. Aber am gleichen Tag klingelte das Telefon und wer ist dran? Mein lieber Bruder Edi aus Berlin und er hat gesagt: „Du bist im Fernsehen. Ich habe dich an deiner Stimme erkannt und dann habe ich dich da gesehen.“

Im Film habe ich offiziell verkündigt, dass sie alle ab den Tag Kontingentflüchtlinge sind und erkläre was es bedeutet.  Und dann jubeln alle wie verrückt. Denn das hieß auch, dass sie für immer bleiben konnten.

I: Musst mir nachher nochmal den richtigen Titel geben, den Film kann ich ja sicherlich in irgendeinem Archiv finden.

B: Kann man. Ja, ja. Verlorene Heimat oder Suche nach Heimat. Die verlorene Heimat auf Suche nach einer neuen Heimat, so und so ähnlich war der Titel.

1992 habe ich aber aufgehört, nachdem die Juden alles selber geregelt haben. Das Ministerium hatte mich zwar gefragt, ob ich bleiben will. Aber ich hatte keine Lust. Ich sollte die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Halberstadt übernehmen. Drei solche großen Russenblöcke. Da habe ich mir aber gesagt: Das machst du nicht, denn du wirst jetzt auch bald 60 Jahre. Zu dem Zeitpunkt war ich 54 Jahre. Und den Job wollte ich nicht mehr machen. Und dann haben sie mich gefragt: „Wissen Sie was, wir haben schon mit dem Landrat gesprochen und er wäre sehr froh, wenn Sie die Ausländerbehörde übernehmen würden.“

I: Ah ja, genau, stimmt. Ich erinnere mich, dass du dort gearbeitet hast.

B: Und da habe ich die Ausländerbehörde bis 1997 übernommen. Und dann bin ich 60 Jahre geworden und ich bin in Rente gegangen. So, da war es.