Falscher Hase

Mein Vater hatte mich auf der Polizeischule angemeldet, doch eigentlich wollte ich Fotografin werden. Er meinte, das sei doch kein Problem, als Kriminalistin macht man ebenso eine Menge Bilder. Aufgrund meiner schlechten Augen wurde ich letztlich nicht angenommen und so habe ich trotz meiner funktionellen Einäugigkeit begonnen die Welt auf eigene Weise mit Hilfe der Kamera zu sehen. Doch warum wollte mein Vater unbedingt, dass ich in seine Fußstapfen trete? Und was hat er eigentlich genau gemacht, in einem Land, welches 1989 verschwunden ist und an das ich kaum Erinnerungen habe, das mich aber dennoch auf so vielen Ebenen prägt. Viele Lücken blieben jahrelang ungefragt oder unbeantwortet und immer wieder wunderte ich mich, wer ich den bin, wenn ich meine familiäre Herkunft nur bruchhaft kenne. Doch nun war es an der Zeit Hinweisen zu folgen. Dieses Archiv versammelt Gespräche mit meinem Vater und die Dokumente meiner daraus folgenden Spurensuche. Eine künstlerische Praxis, die in ihren vielen Überschneidungspunkten mit der vergangenen Arbeit meines Vaters zu meiner eigenen Arbeitsweise geworden ist und die nicht auf die Auseinandersetzung mit meinem Vater beschränkt ist, sondern auch Problematiken der Gegenwart untersucht. Mein Vater kocht bei jeden Treffen Hackbraten, um den Falschen Hasen auf der Spur zu sein. Das Gericht schmeckt jedes Mal anders, je nachdem, welche Zutaten verwendet werden.

Rezept meines Vaters:

„Der Falsche Hase ist ein Hase ohne Ohren. Man holt vom Fleischer gewürztes Gehacktes, ohne Zwiebel, nimmt es mit nach Hause und macht es in einer Pfanne. Und in der Pfanne kommt noch etwas Pfeffer und Salz, Kümmel und ausgiebig Majoran dran. Und dann kommt ein Ei. Mit den Händen matscht man das richtig durch. Dann formt man einen Klumpen fest zusammen, gibt in die Pfanne etwas Öl und brät alles von beiden Seiten kurz an. Ich habe immer trockenen Rotwein parat. Den nehme ich zum Ablöschen, kippe eine kleine Flasche ganz ran. Und dann kommt Gemüsebrühe, saure Sahne und Bratensoße rein. So, den Deckel zu, und dann kocht das. Du kannst ihn auch in die Röhre stellen, dann wird es brauner. Und man kann dann ein paar geschnittene Champignons dran machen aus dem Glas. So, und das ist eigentlich der Falsche Hase. Man kann, wenn man möchte, in der Mitte des Gehackten eine saure Gurke reinstecken. Oder man gibt ein gekochtes Ei rein. Das haben wir früher gemacht. Und das so eine Stunde köcheln lassen. Das ist alles.“

My father had enrolled me in the police academy, but I actually wanted to be a photographer. He said that was no problem, as a police detective you also take a lot of pictures. Because of my poor eyesight, I was not accepted in the end and so, despite my functional one-eyedness, I began to see the world in my own way with the help of the camera. But why did my father want me to follow in his footsteps so badly? And what exactly did he do in a country that disappeared in 1989 and of which I have hardly any memories, but which nevertheless shaped me on so many levels. For years, many questions remained unasked or unanswered, and again and again I wondered who I was – when I knew only fragments of my family origins. But now I have taken time to follow some clues. This archive brings together conversations with my father and the documents of my ensuing search for these clues. As an artistic practice, it has many points of overlap with my father’s past work, and has become my own way of working. It is not limited to an examination of my father, but also explores problems of the present. My father cooks meatloaf at every meeting to be on the track. The dish tastes different each time, depending on which ingredients are used.

My father’s recipe:

“The Falsche Hase is a rabbit without ears. You get seasoned minced meat from the butcher, without onion, take it home and make it in a bowl. And in the bowl you add some pepper and salt, caraway seeds and plenty of marjoram. And then you add an egg. You really mix it with your hands. Then you form a lump tightly together, add some oil to the pan and fry everything briefly on both sides. I always have dry red wine ready. I use it to deglaze the pan and pour in a small bottle. Then I add vegetable stock, sour cream and gravy. So, close the lid, and then it cooks. You can also put it in the oven, then it gets browner. And you can add some sliced mushrooms from the jar. So, and that’s actually the Falsche Hase. If you like, you can put a pickled cucumber in the middle of the mince. Or you can put a boiled egg in it. That’s what we used to do. And let it simmer for about an hour. That’s all.”